Alter Treffpunkt – Neuer Anstrich
Raum geben – Projekte in Prozessen fördern
Erkenntnisse aus dem Hessischen Modellvorhaben „Alter Treffpunkt – Neuer Anstrich. Starthilfe für kreative Köpfe“
Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse
Hessens ländliche Räume sind vielfältig – ebenso wie die Menschen, die hier leben. Ein typisch ländlicher Lebensstil existiert dabei heute genauso wenig wie eine typisch ländliche Wirtschaftsstruktur. Durch diese Vielfalt an historisch gewachsenen Lebensräumen, die knapp 80 Prozent der Landesfläche umfassen, wird es in Zeiten des gesellschaftlichen Wandels und multipler Herausforderungen zunehmend wichtiger, die Bevölkerung und weitere Akteurinnen und Akteure aktiv in die Gestaltung der Lebensverhältnisse vor Ort einzubinden. Denn gerade hier werden die Auswirkungen des demografischen und wirtschaftlichen Wandels, etwa der Verlust von Einrichtungen der Daseinsvorsorge und Orten des demokratischen Austauschs zunehmend sichtbar. Dabei begründen diese öffentlichen Treffpunkte lokale Demokratie und schaffen soziales Bewusstsein, sie tragen wesentlich zur Lebensqualität bei und sind gemeinschaftsbildend. Für das Ziel einer qualitativen Steigerung der Lebensverhältnisse in Hessens ländlichen Räumen ist der Fokus auf solche sozialen Orte ebenso bedeutend wie die (Re-)Aktivierung von sozialen Ressourcen, also den Menschen, die Entwicklungen durch bürgerschaftliches Engagement überhaupt erst anstoßen.


Im Rahmen des Modellvorhabens „Alter Treffpunkt – Neuer Anstrich. Starthilfe für kreative Köpfe“ wurde, diese Gedanken vorangestellt, ein neuer Ansatz der Förderung von eben solchen Orten bei gleichzeitigem Fokus auf die Engagierten, erprobt. Das Modellvorhaben wurde 2021 als Kooperationsprojekt der Hessischen Staatskanzlei und der Landesstiftung „Miteinander in Hessen“ ins Leben gerufen und 2024 nach drei Modellrunden abgeschlossen. Ziel war es, durch einen komplementären Ansatz aus Prozess- und Projektförderung (letztere ab Runde 2) lebendige Orte des Miteinanders in ländlichen Kommunen zu schaffen oder zu reaktivieren. Freiwillig Engagierte und Kommunen wurden unterstützt, Ideen für Bestandsimmobilien zu entwickeln, die von der lokalen Bevölkerung kaum oder gar nicht mehr genutzt wurden. Die Prozessförderung umfasste ein professionelles Coaching, u. a. um Ideen zu konkretisieren, Ziele zu formulieren, den nachhaltigen Strukturaufbau des Engagements zu unterstützen und relevante Akteure zusammenzubringen.
Zentrale Erkenntnisse:
- Infrastruktur für Zusammenhalt: Gemeinschaftliche Räume benötigen ein Zusammenspiel von Kompetenzen und Institutionen. Klassische Projektförderungen allein garantieren keine nachhaltigen Strukturen.
- Prozessförderung als Schlüssel: Die Rückmeldungen aus dem Modellvorhaben zeigen, dass Prozessförderung entscheidend ist, um Lebensqualität zu steigern und soziale Strukturen aufzubauen. Sie unterstützt die Entwicklung bedarfsorientierter Lösungen und revitalisiert untergenutzte Räume.
- Bürgerengagement: Der aktive Einbezug der Bevölkerung fördert Mitgestaltung und bürgerschaftliches Engagement, was die lokale Identifikation stärkt.
- Bedarf an Unterstützung: Neben finanzieller Ausstattung sind niedrigschwellige, bürokratiearme Förderansätze notwendig. Dazu gehören Vernetzungsangebote, Qualifizierungsformate und professionelle Unterstützung bei Förderanträgen.
- Räume für Innovation: Es braucht Orte, die Zusammenhalt und aktives Miteinander fördern und gleichzeitig Raum für Ideen und deren Weiterentwicklung bieten.
- Komplementäre Ansätze: Projekt- und Prozessförderung gemeinsam gedacht fördern Innovation und Nachhaltigkeit.
Was Prozessförderung leisten kann:
- Innovation und Nachhaltigkeit: Unterstützung zukunftsfähiger Konzepte, Erprobung innovativer Lösungsansätze und Professionalisierung von Initiativen.
- Identität und sozialer Zusammenhalt: Stärkung des Zusammenhalts und der lokalen Identität durch aktive Mitgestaltung und Gemeinschaftsbildung.
- Kooperation und Koproduktion: Förderung interdisziplinärer Zusammenarbeit und Unterstützung lokaler Initiativen.
- Bürgerbeteiligung und Selbstwirksamkeit: Entwicklung bedarfsorientierter Angebote, Bereicherung des demokratischen Diskurses und Erhöhung der öffentlichen Wirkung von Projekten.
„Das Modellvorhaben hat nicht nur zur Reaktivierung von Begegnungsräumen beigetragen, sondern auch zur Qualifizierung von Engagierten sowie zum Aufbau von nachhaltigen Engagementstrukturen.“
(vgl. S. 11f. sowie 44f. der Broschüre)
Wieviel Fördermittel wurden insgesamt eingesetzt?
Anders als bei so genannten investiven Förderprogrammen bewarben sich die Initiativen nicht um Fördergelder, sondern um eine durch die Staatskanzlei finanzierte Begleitung im Rahmen von Beratung und Coaching. Über das Coaching hinaus standen allen Initiativen ab der zweiten Modellrunde Fördermittel von bis zu 15.000 Euro (pro Initiative) zur Verfügung, die bei Bedarf in die Treffpunkte oder in die Fortführung des Coachings investiert werden konnten.
Über die Autorin
Eva Clara Tenzler arbeitet als Prozessbegleitung, Projektkoordination und Autorin im Bereich Kultur, Bildung und Gemeinwesen. Ihr Tätigkeitsschwerpunkt liegt auf der Beratung und Begleitung zivilgesellschaftlicher Initiativen und Projektvorhaben, insbesondere in ländlichen Räumen, sowie auf der Begleitung von Transformationsprozessen in Organisationen.
Weitere Publikation von Eva Clara Tenzler:
einfach mal machen
Ein Praxisleitfaden für wirksames Engagement vor Ort
Eva Clara Tenzler
HRSG: Wüstenrot Stiftung & Silicon Vilstal



